Start Kleinkinder Kreatives Gestalten: Wie Kinder ihre Welt abbilden

Kreatives Gestalten: Wie Kinder ihre Welt abbilden

Ich kritzle total gerne herum, wenn ich telefoniere. Und staune hinterher, was für originelle Dinge meine Hände tun, wenn der Verstand nicht dazwischenfunkt. Spielen wir hingegen „Stadt, Land, Vollpfosten“ in der Zeichen-Version, bekomme ich nicht einmal ein Fahrrad hin und auch alles andere sieht aus, als sei ich 5 Jahre alt. Wie alle Menschen wurde auch ich mit einem kreativen Geist geboren. Kleine Kinder lieben es, Spuren zu hinterlassen. Die ersten Kunstwerke werden schnell produziert und sind bildgewordener Ausdruck der Bewegungsfreude. Zwischen ein und drei Jahren steht das Erforschen des Materials und seiner Möglichkeiten im Vordergrund. Es entstehen die Grundlagen für alles Weitere: Kreuze, Kreise, Spiralen, Zickzack-Muster und erste geschlossene Formen. Nun sind Erwachsene meist schnell dabei, zu werten und zu benennen. „Das hast du aber schön gemacht!“ und „Was soll das sein?“ sind Phrasen, die den selbstbestimmten Schaffensprozess der Kinder stören und in eine Richtung lenken, die entwicklungsmäßig noch gar nicht dran ist. Benennungen erfolgen ganz von selbst durch die Kinder, wenn es an der Zeit ist. Der nächste große Entwicklungsschritt ist die Darstellung des Menschen. Er taucht zuerst als Kopffüßler auf und wird mit der Entwicklung des Kindes immer differenzierter und detailreicher. Er bekommt – wieder ohne, dass jemand dem Kind sagen muss, was zu tun ist – Finger, Füße, Haare, Augenbrauen, Kleidung und wird irgendwann auch in der Seitenansicht dargestellt. Auch die Umwelt mit Tieren, Häusern, Bäumen und Gegenständen wird bildlich wiedergegeben, alles wird miteinander in Beziehung gesetzt, erzählt Geschichten. Irgendwann wird aus der statischen Wiedergabe Bewegung. Meist erst mit Beginn der Vorpubertät stoßen Kinder auf das Phänomen der Perspektive und der Dreidimensionalität. Daran und an ihren Ansprüchen verzweifeln viele und etikettieren sich (um Frustration zu mindern) als unbegabt. Guter Kunstunterricht kann hier unterstützen und den Kindern Hilfsmittel und -techniken an die Hand geben. Zur künstlerischen Entfaltung gehören auch plastische Darstellungsmöglichkeiten. Aus Knete, Ton, Wolle, Holz, Pappmaschee werden, ganz analog zur Entwicklung beim Malen und Zeichnen, Welten erschaffen.

Was können Erwachsene nun tun, um Kinder in ihrem Schaffensdrang zu fördern? Sie sind Material­beschaffer*innen, sie gestalten einen guten Arbeitsplatz, an dem das Kind frei wirken kann, sie setzen die Spielregeln, innerhalb derer sich die Kinder kreativ austoben können. Gut ist es natürlich, Vorbild zu sein: selbst frei zu experimentieren, neue Techniken spielerisch auszuprobieren und jeglichen Perfektionismus ganz weit weg zu schieben.

Ich habe in meiner Arbeit mit Kindern gerne auch eine besondere Herausforderung eingebaut: mit der linken Hand gemalt, nur den Finger beim Malen mit Wasserfarben benutzt und mich allgemein sehr zurückgenommen. Vielleicht nehme ich es deshalb auch mit Humor, dass meine Zeichnungen auch jetzt noch oft kindlich aussehen. Denn ich weiß: Wenn ich wollte, könnte ich Techniken erlernen – ich muss es aber nicht. Solange ich mich am Kreativsein erfreue, bin ich mit mir zufrieden!

Foto: shangarey

Angela Wiesmann
Angela Wiesmann ist seit 2018 im Kinderkram-Redaktionsteam. Neben der Kundenbetreuung liegt das Schreiben für Familien besonders am Herzen.