Start Politik Die Reform der Reform: Paragraph 184b

Die Reform der Reform: Paragraph 184b

Der missglückte Kinderpornografie-Straftatbestand wird entschärft

Kinderpornografie – ein entsetzliches, hochemotionales Thema. Eltern sind in ständiger Sorge um ihre Kinder. Die sozialen Medien haben zusätzliche Türen aufgestoßen, durch die Gefahren in unser Leben dringen können. Fest steht: Konsequente Maßnahmen gegen kriminelle Handlungen und für den Datenschutz sind richtig und wichtig. Wenn Medien in großen Lettern anprangern: Ampel senkt Strafmaß bei Kinderpornografie, klingt das skandalös und alarmierend. Genau das soll es: aufregen. Aber was ist denn eigentlich der Beweggrund für die geplante Gesetzesreform?

Erst 2021 hatte es eine Gesetzesverschärfung gegeben – ausgelöst durch die Aufdeckung eines Pädophilenrings. Diese deklarierte den Versuch, sich Kindesmissbrauchsabbildungen zu beschaffen sowie deren Besitz und Verbreitung zum „Verbrechen“. Dieser juristische Terminus gilt, wenn die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr beträgt. Vorher war der Paragraph als „Vergehen“ definiert, das heißt, dass man bei Fällen mit geringer Schuld anders auf Taten reagieren konnte. Die Absicht war eine gute: Kinder schützen und Verfolgung erleichtern. Doch viele Expert*innen äußerten damals schon Bedenken. Denn es gibt Fälle, in denen selbst das Mindeststrafmaß irrational scheint.

Eine Oma, die Fotos von den Enkeln im Plansch­becken an die Eltern schickt: strafbar. Ein Nacktbild von sich selbst als minderjährige Person: strafbar. Eine Mutter, die mithilfe eines Screenshots andere Eltern darauf aufmerksam macht, dass deren Sohn das Nacktbild eines Kindes in einer Chat-Gruppe geteilt hat: strafbar. Diese Beispiele klingen konstruiert und überspitzt? Es handelt sich aber um reale Beispiele. Sobald ich darüber Kenntnis habe, dass auf meinem Handy oder auf dem meiner Kinder Inhalte dieser Art vorhanden sind, mache ich mich strafbar, sofern ich sie nicht unmittelbar lösche. Und sobald die Staatsanwaltschaft über einen Tatbestand informiert ist, ist sie gezwungen, diesen zur Anklage zu bringen. Aktuell geht es hier um eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Das Mindeststrafmaß abzumildern oder das Verfahren einzustellen, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. 

Der zuständige Richter, der den oben geschilderten Fall der Mutter behandelt, hält das Gesetz in seiner jetzigen Form für verfassungswidrig, hat das Verfahren ausgesetzt und beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrolle eingereicht. Der Antrag wurde zunächst abgelehnt, doch nun hat sich Bundesjustizminister Dr. Marko Buschmann (FDP) der Sache angenommen. Er strebt eine erneute Gesetzesreform noch in diesem Jahr an und ist zuversichtlich, von den Koalitionspartnern und dem Bundesrat grünes Licht zu bekommen. Denn die Justizminister aller Landesregierungen sind sich darin bereits einig. Wie schnell es letztendlich geht, liegt in den Händen des Parlaments.

Klassisches Missverständnis

Manche Medien beuten das Thema emotional aus, und bei vielen Leser*innen bleiben nur die plakativen Überschriften im Gedächtnis. Die Gesetzesentschärfung ist aber nicht als Mildtätigkeit gegenüber Personen, die Kinderpornografie besitzen oder verbreiten, zu verstehen. Es herrscht Einigkeit darüber, dass ein hoher Strafrahmen nach oben richtig ist. Der untere Rahmen verlangt aber seine einstige Flexibilität zurück. Die Justiz braucht mehr Spielraum zu unterscheiden, ob eine böse Absicht besteht oder nicht. 

Das sieht die Reform vor: mindestens sechs statt zwölf Monate bei Verbreitung kinderpornografischen Materials, drei Monate bei der Unternehmung, sich entsprechendes Material zu beschaffen. Die Herabstufung zum „Vergehen“ macht es zudem wieder möglich, Verfahren im Einzelfall einzustellen. Das verschärfte Strafmaß von zehn Jahren aber bleibt bestehen. Dabei ergeben sich keine Gesetzeslücken bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Aber es ermöglicht eine differenzierte, praxisnahe Herangehensweise, der auch Opferverbände wie „Der weiße Ring“ grundsätzlich ihren Segen geben.

Wie verhalte ich mich richtig?

Sobald man zum Beispiel auf seinem Handy sensible Inhalte entdeckt, sollte man sie am besten sofort löschen – und unter keinen Umständen weiterleiten! Im Bedarfsfall geht man zur Polizei, um den Fall zu melden und gleichzeitig zu signalisieren, dass kein Besitzwillen besteht. Und bereits im Vorfeld ist es besonders wichtig, sich gemeinsam mit den Kindern zu diesem Thema auszutauschen. Denn selbst ein vermeintlich harmloser Spaß kann für alle Beteiligten unangenehme Folgen haben.

Foto: pontchen / photocase.de

Tina Ott
Autorin Tina Ott ist seit vielen Jahren für die verschiedenen Magazine des Rönne Verlags im Einsatz – und immer wieder begeistert, was für interessanten Menschen man bei Reportagen oder Interviews in unserer Region begegnet.