Start Gesundheit Ein Lagebericht: Geburtskliniken in Schleswig-Holstein

Ein Lagebericht: Geburtskliniken in Schleswig-Holstein

Gerade einmal ein Drittel aller deutschen Krankenhäuser bietet heute Geburtshilfe an, obwohl sich aktuell neun von zehn Frauen aus Sicherheitsgründen für eine klassische Entbindung in der Klinik entscheiden. Denn hier steht den Familie bei einem medizinischen Notfall ein Ärzte- und Hebammen-Team sowie moderne Technik zur Verfügung. Die Atmosphäre im Kreißsaal, die Termindichte in der Einrichtung, die Versorgungsoptionen nach der Geburt und ganz wichtig: Wie weit ist die Anfahrt? Viele Aspekte fallen bei der Auswahl einer Klinik ins Gewicht. Sofern man denn eine Auswahl hat!

Als die Schleswig-Holsteiner*innen, die sich heute auf Zuwachs freuen, selbst auf die Welt gekommen sind, gab es noch mehr als zwei Dutzend Geburtsstationen im nördlichsten Bundesland. Bei dem anhaltenden Negativtrend wird sich diese Zahl in absehbarer Zukunft vermutlich halbiert haben. Die unmittelbare Folge für werdende Eltern: Je nachdem wie weit außerhalb man von Ballungszentren wie Kiel oder Lübeck entfernt lebt, desto länger mag nun der Weg zur Klinik dauern.

Die Gründe für die Schließungen sind oftmals wirtschaftlicher Natur. Klinikleitungen und -verbände weisen zudem auf den Fachkräftemangel, sinkende Geburtenzahlen und den daraus resultierenden Mangel an der notwendigen Praxis hin. Eine andere Tendenz sollte man dabei aber nicht außer Acht lassen. Denn auch das Alter der Erstgebärenden steigt kontinuierlich und somit auch die Zahl der sogenannten Risikoschwangerschaften. Einerseits ist für sie die Wahrscheinlichkeit höher, eine umfangreiche Betreuung zu benötigen, andererseits bedeuten weite Wege eine zusätzliche Belastung.

Deutschland kategorisiert Geburtsstationen in vier Leveln. In Stationen der niedrigsten Stufe 4 dürfen nur Entbindungen stattfinden, bei denen keine Komplikationen zu erwarten sind. Etwa ein Drittel der verbleibenden Adressen im nördlichsten Bundesland sind momentan in Level 4 eingestuft. Dieser Kategorie hätten laut Gesundheitsministerium übrigens auch viele der bereits geschlossenen Einrichtungen angehört.

Zum Sinnbild dieser besorgniserregenden Trends ist die imland Klinik geworden. Die finanzielle Gesundschrumpfung des Eckernförder Standorts, der auch die Geburtsstation zum Opfer fällt, bekommt viel Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und den Medien. Statt Level 4 in Eckernförde konzentriere sich die Geburtshilfe des Imland-Konzerns künftig auf Level 2 in Rendsburg, der Standort in Eckernförde sei nicht versorgungsrelevant, bummelig 45 Minuten Fahrweg nach Rendsburg wiederum zumutbar und gar nicht so ungewöhnlich für ländlichere Gegenden. Das allerdings sehen die in dieser Region zuständigen Hebammen ganz anders. Auch wenn der Kreistag dafür gestimmt hat, dass in Eckernförde nur eine Notfall-Ambulanz übrigbleibt, ist der Widerstand so enorm, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein scheint (Stand 5. April 2023).

Fazit

Die Meinungen gehen weit auseinander, die Lage ist angespannt. Doch aus dieser Unstimmigkeit heraus dringt die Thematik in die Köpfe der Gesellschaft. Und deshalb kommen bestehende, vor allem aber angestrebte Strukturen auf den Prüfstand.

Tina Ott

Foto: Kati Finell

Geburtsstationen in Schleswig-Holstein

Stand: 10. April 2023

Tina Ott
Autorin Tina Ott ist seit vielen Jahren für die verschiedenen Magazine des Rönne Verlags im Einsatz – und immer wieder begeistert, was für interessanten Menschen man bei Reportagen oder Interviews in unserer Region begegnet.