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Eltern erzählen … von der Geburt

Es gibt Ereignisse, die das Leben eines Menschen in ein „vorher“ und „nachher“ teilt. Der Moment, wenn man einem neuen Erden­bürger das Leben schenkt, gehört zweifellos dazu. Eine Geburt ist immer etwas Besonderes. Das individuelle Erlebnis ist irgendwo zwischen erschöpfend langwierig und erstaunlich schnell einzuordnen, zwischen äußerst kompliziert und eigentlich ganz prima, zwischen Kreißsaal, OP-Raum, heimischem Badezimmer, Taxirückbank und Supermarkt. Vielleicht geraten Schmerzen und Kraftausdrücke im Nachhinein in Vergessenheit. Der erste Schrei der neuen Handvoll Mensch und das unbeschreibliche Glück jedoch nie. Vier Eltern erinnern sich für uns an diesen besonderen Augenblick zurück.

Maja und Lasse haben drei Kinder. Ihre erste Tochter musste per Kaiserschnitt geholt werden, die beiden jüngeren Geschwister sind durch Spontangeburten auf die Welt gekommen. Auch ihre Erfahrungen ohne und mit Hebamme kann Maja heute miteinander vergleichen.

„Meine erste Schwangerschaft verlief bilderbuchmäßig. Dass mein Frauenarzt kurz vor dem errechneten Geburtstermin in den Urlaub gegangen ist und auch kein Ultraschall mehr gemacht wurde, war für mich völlig in Ordnung. Einen Tag vorher stand dann aber plötzlich fest, dass wir es mit einer Beckenendlage zu tun hatten. Ein Schock. Zweimal wurde vergeblich versucht, das Baby im Bauch zu wenden. Bei einem Kind von 58 Zentimetern Länge ist das nicht ohne. Es trotzdem auf eine Spontangeburt ankommen zu lassen, war zu riskant, da kein ausgewiesener Experte vor Ort war. Auf dem Weg zum OP habe ich nur geweint, weil ich einfach so enttäuscht gewesen bin. Mein Mann war die ganze Zeit dabei und sagt heute, dass er den Wendeversuch tatsächlich als schlimmer wahrgenommen hat als die ganze OP-Situation.

Beim zweiten Mal haben wir uns dann gleich um eine Beleghebamme bemüht. Das hat mir das Gefühl zusätzlicher Sicherheit gegeben, um zum Beispiel bei einer erneuten Beckenendlage gegebenenfalls früher Maßnahmen ergreifen zu können. Da die zweite Geburt viel schneller ging als erwartet, hatte es sich so ergeben, dass anstelle meines Mannes meine Mutter dabei war. Das erwies sich für mich persönlich als besonders gut – weil sie eben selbst wusste, wie es ist, ein Kind auf die Welt zu bringen. Daher habe ich mich bei unserem dritten Kind ganz bewusst dazu entscheiden, wieder weibliche Unterstützung mitzunehmen. Dieses Mal ist eine Freundin mitgekommen, die selbst schon Mutter war. Die Situation war ziemlich entspannt, und es wurde viel gescherzt. Ich sei eine geborene Kriegerin. Eine ‚Kinderkriegerin’, um genau zu sein.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich die beiden letzten Entbindungen mit vollkommen anderen Emotionen, ja auch intensiveren Glücksgefühlen erlebt habe als den Kaiserschnitt. Da spielt mit Sicherheit mit hinein, dass mir bei der ersten Erfahrung die Entscheidung schlichtweg abgenommen wurde – und ich auf ein vollkommen anderes Szenario eingestellt war.“

Thomas hat zwei erwachsene Kinder. Der Nachzügler Axel kam vor acht Jahren – ebenfalls wegen einer Beckenendlage – mit geplantem Kaiserschnitt zur Welt.

„Wie ein Klappmesser mit dem Hintern nach unten. Nützt nichts! Dann durfte ich – zumindest als Beisitzer – nun also auch diese Erfahrung noch machen. Komplett eingetütet, wie ich war, und durch einen OP-Vorhang vom eigentlichen Geschehen abgetrennt, habe ich mich dann tatsächlich noch ein Stückchen hilfloser gefühlt als bei den ersten beiden Geburten. Das Team war wirklich gut darin, es uns so leicht wie möglich zu machen. Immer wieder wurde gelacht – und zwar auf beiden Seiten des Vorhangs. Und weil das Zunähen der Bauchdecke viel länger dauerte als die Geburt selbst, hatte ich dann den Kleinen für eine Weile ganz alleine bei mir. Ein besonderer Moment, an den ich mich gerne erinnere.

Auf natürlichem Wege oder per Kaiserschnitt – für mich hat beides Vor- und Nachteile. Die Tatsache, sich auf einen konkreten Zeitpunkt und eine verhältnismäßig planbare Dauer im Krankenhaus einstellen zu können, habe ich persönlich als sehr positiv empfunden. Wobei die ersten Tage danach für meine Frau natürlich deutlich mühsamer waren.“

Nadines Sohn Oskar hatte einen außergewöhnlich schweren Start ins Leben. Heute ist er fünf Jahre alt, strahlt beim Videointerview mit in die Kamera und möchte selbst alles genau wissen, wenn seine Mama sozusagen „aus dem Brutkästchen“ plaudert:

„Dass sich eine Frühgeburt ankündigt, war ab der 21. Schwangerschaftswoche klar. Die Gebärmutterarterien waren dicht, und das heißt, dass der Fötus nicht mehr richtig versorgt wird und auch nicht weiter wächst. Ab dann hieß es, um jeden weiteren Tag zu kämpfen. Jeden zweiten Tag musste ich zum Arzt. „Aber solange er so herumturnt, hat er das, was er braucht“, sagte man mir. Ab der 25. Woche wurde es dann ernst, da mein eigener Körper Alarm schlug. Aus dem geplanten Kaiserschnitt in der darauffolgenden Woche ist dann sogar noch ein Notkaiserschnitt geworden. So dramatisch die Situation auch war – die Stimmung im Kreißsaal beziehungsweise im OP war total positiv, um nicht zu sagen lustig. Das Personal war richtig toll. ‚Soso, kaum 500 Gramm, aber drei Namen!’ – daran erinnere ich mich noch genau. Und meine Mutter, die die ganze Zeit in Alarmbereitschaft gewesen ist, in dem Moment an meiner Seite zu wissen, war mir eine enorme Hilfe.

Sie haben mein Baby in der Fruchtblase herausgehoben und diese erst dann geöffnet. Er hat kurz geschrien. In dem Moment wusste ich, er schafft das! Die ersten zehn Minuten seines Lebens hat er sogar selbst geatmet, dann allerdings musste er noch lange Zeit richtig kämpfen. Die Lunge war eben noch nicht richtig ausgebildet. Eine künstliche Beatmung im Brutkasten ist daher nichts Ungewöhnliches.

Die ersten Wochen, nachdem ich alleine das Krankenhaus verlassen musste, waren die furchtbarste Zeit. Zwar verblassen die negativen Erinnerungen nach und nach, aber ich habe tatsächlich noch lange an den Moment zurückgedacht, als ich mit gepackter Tasche nach draußen gegangen bin. Nach insgesamt 150 Tagen durfte dann auch mein Sohn nach Hause kommen. Wir beide haben übrigens bis heute Kontakt zu Familien, die damals in der gleichen Situation waren wie wir.“

Bei Hausgeburten leisten Hebammen über die gesamte Zeit hinweg eine 1 zu 1 Betreuung – wenn alles läuft wie geplant. Bei Henrike und Gordon lief allerdings nichts nach Plan. Denn das Paar hatte ursprünglich nicht einmal eine Hausgeburt vorgesehen. Gordon erinnert sich:

„Wir hatten in der zweiten Schwangerschaft eine Beleghebamme. Vor dem Geburtstermin hat sie uns zu Hause betreut und sollte den Startschuss geben, wann wir uns Richtung Krankenhaus aufmachen. Ich erinnere mich, dass es zunächst hieß: … ja, wir haben noch Zeit, bis es losgeht. Zur Entspannung haben wir noch eine Badewanne eingelassen. Und dann gab es bei Henrike ganz plötzlich einen Stimmungswechsel. Eine erneute Untersuchung zeigte, dass der Kopf unserer Tochter schon so gut wie da war. Wir hätten den Krankenwagen noch rufen können, genützt hätte es aber allem Anschein nach nicht mehr viel. Da es weder eine problematische Schwangerschaft war noch sich eine kritische Geburt abzeichnete, es alles nur viel schneller ging als erwartet, sagten wir: Na gut, dann also hier!

Unser Kind wurde dann tatsächlich im Badezimmer geboren. Unsere Hebamme hatte glücklicherweise eine Auszubildende dabei, die nun also ordentlich gefordert war. Sie ist nur hin- und hergeflitzt und hat dabei sogar noch Fotos gemacht. Beispielsweise von der sehr seltenen ‚Glückshaube’, also einer intakten Fruchtblase, in der ein Kind geboren wird. Als die zweite Hebamme vor der Tür stand – denn eigentlich sind bei Hausgeburten zwei vorgesehen, da kein Arzt vor Ort ist –, war alles schon passiert. Das gab dann natürlich auch eine große Überraschung, als ich unsere Große von der Tagesmutter abgeholt habe. Und das ist ja auch das Schöne an einer Hausgeburt, nämlich gleich in seiner gewohnten Umgebung mit allen zusammen kuscheln zu können. Für meine Frau war übrigens das Badezimmer noch lange Zeit gedanklich stark mit diesem Erlebnis verbunden.“

Foto: silvia-ulrike / photocase.de

Tina Ott
Autorin Tina Ott ist seit vielen Jahren für die verschiedenen Magazine des Rönne Verlags im Einsatz – und immer wieder begeistert, was für interessanten Menschen man bei Reportagen oder Interviews in unserer Region begegnet.