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Im Trend: Barfußschuhe

Unsere Vorfahren sind vor 300.000 Jahren ohne Schuhe zur Welt gekommen. So ist es unseres Wissens auch immer noch. Und so normal wie es hier und heute sein mag, mit Schuhen herumzulaufen, war man Jahrtausende lang bestens barfuß unterwegs, zugegebenermaßen weniger auf asphaltierten Straßen. Käsemauken, Quadratlatschen, Quanten – es gibt einige wenig charmante Kosenamen für jenen Körperteil ganz unten, der doch so nützlich wie erstaunlich ist. Immerhin trägt er uns im Laufe eines Lebens statistisch betrachtet dreimal um den Erdball. Dazu braucht es rund 20 Knochen, 30 Gelenke, 100 Bänder, 200 Sehnen, 60 Muskeln und 70.000 Nervenenden (Rezeptoren), die den Untergrund präzise wahrnehmen. Aber braucht es auch Tennissocken in Sandalen, Moonboots und Stöckelschuhe? Schuhe nehmen den Füßen ihre Aufgaben ab. Gleichzeitig beeinträchtigen sie die Fähigkeit, ein schiefes Auftreten durch eine intuitive Gegenbewegung auszugleichen. Das Problem: Bänder und Muskeln bilden sich zurück und das Fußgelenk büßt Stabilität ein. Beim Barfußlaufen liegt die natürliche Belastung nämlich auf Mittel- und Vorderfuß. Mit festen Schuhen verlagert sie sich zur Ferse.

Trend mit Fußspitzengefühl

Lange Zeit ging es bei Lauf-, aber auch Alltagsschuhen darum, dem Fuß jegliche Arbeit abzunehmen. Der neue Trend schlägt den Weg „zurück zu den Wurzeln“ ein. Sogenannte Barfußschuhe schaffen einen Kompromiss, oder sagen wir besser eine Ideallösung zwischen natürlichem Bewegungsablauf und schützendem Schuhwerk. Sie bewahren den Fuß vor Kälte, Schmutz und Verletzungen, ohne ihn in eine unnatürliche Haltung zu zwängen.

Freiheit für den großen Onkel

Barfußschuhe haben dünne, flexible Sohlen ohne Fußbett und Absatz, bieten Ballen und Zehen viel Platz und passen sich der Fußform und dem Untergrund an (statt umgekehrt). Man gewinnt an Grip und Bodengefühl, Gleichgewichtssinn und Gelenkstabilität werden trainiert und die natürliche Zehenstellung bleibt erhalten. Zudem wirkt sich ihr geringes Gewicht positiv auf den Trage- und Laufkomfort aus. Da es auch hier qualitative Unterschiede gibt, empfiehlt sich eine entsprechende Beratung, zum Beispiel bei Tanja Schwenn Kinderkleider und -schuhe in der Holtenauer Straße Ecke Düppelstraße. Seit 17 Jahren betreibt die gelernte Modedesignerin mit ihrer eigenen Kollektion eine Kinderboutique und ist 2020 samt Familie und Laden nach Kiel umgezogen. „Der Begriff Barfußschuhe ist erst seit drei Jahren stark präsent, obwohl es schon vorher sehr, sehr weiche Schuhe mit breitem Zehen-Dock und ohne Absatz gab“, sagt Tanja Schwenn. „Ein Schuh muss vernünftig passen, denn die Fußstellung beeinflusst den gesamten Körper bis hoch in die Nackenmuskulatur. Das gilt vor allem im Kindesalter. Damit sich der Fuß gut entwickeln kann, brauchen die Zehen Spiel. Auch für wichtig halte ich ein gutes Fußklima und setze daher auf Naturmaterialien. Barfußschuhe bieten enorme Vorteile. Grundsätzlich empfehle ich aber eine ausgewogene Mischung an Schuhwerk, sodass man sich der jeweiligen Jahreszeit und Örtlichkeit anpassen kann. Bei einem Winterspaziergang im Wald beispielsweise bevorzuge ich nach wie vor Winterstiefel.“

Worauf stehst du?

„Anfangs gab es meinem Empfinden nach nur hässliche Modelle“, sagt Tanja Schwenn und schmunzelt. „Ästhetik ist zwar nicht das Hauptkriterium, hat aber auch ihre Berechtigung!“ Mittlerweile gibt es Barfußschuhe in allen Farben und Designs, von businesstauglich über marathongeeignet bis zum ulkigen Handschuh für die Füße. Je nach Hersteller variieren die Ausführungen, aber eben auch die Qualität. Daher sei das Ausprobieren so wichtig, betont Tanja Schwenn. Und bei so mancher Kundschaft, erzählt sie, gehe in ihrem Laden ein Licht auf: „Ach so, ich dachte die heißen so, weil man sie ohne Socken tragen soll?!“

Positives „Feet“back

Mit orthopädischen Fehlstellungen kommen nur sehr wenige Kinder auf die Welt. Veränderte Zehenstellungen treten in der Regel durch festes Schuhwerk zutage. Trotzdem gibt es Ausnahmefälle, bei denen von Barfußschuhen ohne medizinische Begleitung abzuraten ist. Bei stärkeren Deformitäten an den Füßen, Erkrankungen des Nervensystems oder sogar Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sollte zuvor ein Besuch in der Facharztpraxis erfolgen. Abgesehen davon begibt man sich aber mit Barfußschuhen auf einen guten Weg, sollte es jedoch buchstäblich langsam angehen. Um Überlastungsschäden und anfänglichem Muskelkater vorzubeugen, empfiehlt sich zunächst, seine Schuhe für eine halbe Stunde zu Hause oder auf eher weichem Grund zu tragen und die Phasen und Strecken sukzessive zu steigern. Später tragen sie einen problemlos durch den ganzen Tag. Langstreckenläuferinnen und -läufer werden sogar feststellen, dass sich ihr Laufstil ändert.

Tanja Schwenn ist gelernte
Modedesignerin und eröffnete
2020 einen Laden für Kinder­mode
in der Holtenauer Straße.

Foto: koel shoes

Tina Ott
Autorin Tina Ott ist seit vielen Jahren für die verschiedenen Magazine des Rönne Verlags im Einsatz – und immer wieder begeistert, was für interessanten Menschen man bei Reportagen oder Interviews in unserer Region begegnet.