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Umweltschutz am Abendbrottisch

Erderwärmung, Mikroplastik, Massentierhaltung: All das ist nicht nur Thema in der Politik, bei Demos und in Talkshows, sondern auch in Familien – zum Beispiel beim Abendbrot. Aber wer bringt das Thema Nachhaltigkeit auf den Tisch? Sind es die Eltern, die auf Produkte aus der Region Wert legen und mit den Kindern über Stromsparen diskutieren? Oder ist es der Nachwuchs, der sich vegan ernähren möchte und der Meinung ist, Papa könne auch mit dem Rad zur Arbeit fahren? Wir haben uns umgehört und festgestellt: Beides trifft zu!

„Das, was meine Eltern damals gepredigt haben, höre ich mich heute selber sagen: Nicht das Wasser laufen lassen! Und was soll die Festbeleuchtung?!“, sagt Tine, Mutter eines Achtjährigen. „Energie- und Lebensmittelverschwendung, Umweltverschmutzung, Massentierhaltung – das sind Themen, über die wir momentan sehr viel sprechen. Auch mit unserem Kind.“

Karen sagt: „Meine Tochter wollte vor zwei Jahren mit ihren Klassenkameraden an einer Klimademo in Kiel teilnehmen. Wir haben darüber diskutiert, weil sie zu dem Zeitpunkt erst zwölf war. Wir haben uns Sorgen gemacht wegen der versäumten Unterrichtsstunden, aber auch um ihre Sicherheit. Und dann hat sie gesagt: Wenn ihr euch um meine Zukunft Sorgen macht, dann solltet ihr mit demonstrieren!“

Nach dem Vorbild von Greta Thunberg gehen Schüler*innen auf die Straße, statt in die Schule. 2019 haben an einem Tag weltweit 1,8 Millionen für umfassende Klimaschutzmaßnahmen demonstriert. Übrigens: Die Schweiz wählte den daraus abgeleiteten Begriff Klimajugend zum Wort des Jahres 2019. Wenn Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch vorher schon relevante Gesellschaftsthemen waren, hat Fridays for Future das allgemeine Umdenken ohne jeden Zweifel befeuert. Im Thema Nachhaltigkeit steckt viel Potenzial für einen Generationenkonflikt. Mit dem Leitspruch „Wir sind jung, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“ bringt die jüngere Generation ihren Unmut über die Versäumnisse älterer Generationen zum Ausdruck.

Marie (28) ist erwachsen, aber eben auch Kind ihrer Eltern, „… ganz besonders wenn wir zusammen sitzen und wieder dieses Thema aufkommt“, sagt sie. Immer gebe es Streit und dieselben Argumente. Man habe das alles aufgebaut und wolle sich den verdienten Wohlstand nicht madig machen lassen. „Dabei geht es doch gar nicht um Schuldzuweisungen. Ich verdanke meinen Eltern alles! Aber ich finde, wir sollten an diesem Punkt einen gemeinsamen Weg einschlagen.“

Nachhaltigkeit ist schließlich kein reines Jugendthema. Es betrifft alle Generationen und kann auch nur gemeinsam gelingen. Während jede Altersgruppe für sich genommen eine nachvollziehbare Perspektive einnimmt, besteht jetzt die Chance, eine gemeinsame zu schaffen. Zu Umwelteinstellung und -verhalten der Deutschen werden regelmäßig Daten erhoben und auf der Internetseite des Umweltbundesamtes veröffentlicht. Trotz Corona-Pandemie stehen Umwelt- und vor allem Klimaschutz bei mehr als zwei Dritteln der Bevölkerung im Fokus. Ein Trend wird deutlich: Die Menschen schauen wieder kritischer auf ihr eigenes Tun und auf das ihrer Mitmenschen. Das Besondere daran ist aber, dass dies mehr und mehr junge Menschen mit einbezieht.

Linus geht in die 9. Klasse und ernährt sich seit einem halben Jahr vegan. „Meine Eltern waren erst skeptisch, unterstützen mich jetzt aber, solange wir ein Auge darauf haben, dass ich alle wichtigen Nährstoffe bekomme“, sagt er. Sein Vater ergänzt: „Von Fleisch und Wurst wollte er schon im Kindergartenalter nichts wissen. Von uns hat er das nicht. Das war allein seine Entscheidung. Mittlerweile verzichtet auch der Rest der Familie immer häufiger auf Fleisch. Das hätte ich für mich persönlich noch vor ein paar Jahren für unmöglich gehalten.“ Auf die Frage, was der Auslöser für seine Ernährungsumstellung gewesen sei, erklärt Linus, er informiere sich über die Sozialen Medien regelmäßig über das Thema Tierwohl und wolle einen aktiven Beitrag leisten, dass sich etwas ändert. Außerdem leide sein Großvater an Gicht, was auf den Konsum von zu viel Schweinefleisch zurückzuführen sei.

„Meine Kinder haben mir gezeigt, wie Instagram funktioniert“, sagt Antje, „und ich habe mir angesehen, welche Personen oder Initiativen sie abonniert haben. Ich war positiv überrascht, dass zum Beispiel auch Greenpeace dazugehört. Viele junge Menschen sind heute politisch interessiert – und können souveräner argumentieren, als ich es zu Teenagerzeiten konnte.“ Mit Argumenten wie „Wir sind so ein kleines Land, da nützt es nichts, wenn wir E-Auto fahren“ kommt heute tatsächlich keiner mehr weit. Denn wenn jeder Verantwortung übernimmt, ist in der Summe schon viel gewonnen. Jeder Einzelne und jede Familie findet für sich einen Weg. Sei es durch die Reduzierung von Plastik, das Umsatteln aufs Fahrrad oder den Urlaub im eigenen Land.

Atti (8) geht heute mit seiner Klasse Müll sammeln. Nächste Woche sammelt die ganze Schule Klimameilen. Für jeden Weg zur Schule oder nach Hause ohne Auto gibt es einen Stempel ins Heft. „Eine Ecke vorher halten und mich aussteigen lassen, gilt nicht!“, erklärt er. Der Drittklässler bekommt sowohl in der Schule als auch im Familienalltag Impulse: „Vieles, was wir selbst als Änderungsprozess erleben, ist für ihn eine Normalität, die er nie anders kennengelernt hat“, sagt seine Mutter.

Fakt ist: Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist unserer jüngsten Generation in die Wiege gelegt. Und sie wird – wie jede Generation – ihren eigenen Weg gehen.

Foto: Uzhursky

Tina Ott
Autorin Tina Ott ist seit vielen Jahren für die verschiedenen Magazine des Rönne Verlags im Einsatz – und immer wieder begeistert, was für interessanten Menschen man bei Reportagen oder Interviews in unserer Region begegnet.