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Hausgeburt – ein Thema, das polarisiert

Möchte ein Paar sein Kind zu Hause auf die Welt bringen, blicken sie meist in entgeisterte Gesichter. Für die einen ist es eine mutige, für die anderen eine gar verantwortungslose Entscheidung. Das Thema Hausgeburt polarisiert stark. Warum sollte man sich gegen die Geburt in einem Krankenhaus entscheiden, wo die medizinische Rundumversorgung doch vermeintlich eine maximale Sicherheit bietet?

von Thea Dammrich

Foto: Zuhause ist für uns der schönste Ort, den es gibt und somit sind wir dankbar und glücklich darüber, dass wir hier unseren Sohn zur Welt bringen konnten. Unsere Hausgeburt war für uns ein ganz spannendes, ruhiges und warmes Erlebnis und hat uns gezeigt, dass eine Geburt gar nicht viel braucht. – M.S., zweites Kind

Eine aktuelle Studie (2023) aus den Niederlanden konnte deutlich zeigen, dass Hausgeburten signifikant sicherer sind als Klinikgeburten. In den Niederlanden findet jede dritte Geburt zu Hause statt. Eine andere Studie stellt heraus, dass gesunde Frauen, die außerklinisch gebären, genauso sicher betreut, aufgehoben und versorgt werden, wie Frauen in der Klinik.

Warum warnen Gynäkolog*innen routinemäßig vor Hausgeburten? 

Mit der Feststellung der Schwangerschaft wird die Frau auf all die möglichen Komplikationen und Risiken während der Schwangerschaft und Geburt hingewiesen. Es scheint, dass nur eine Vielzahl von medizinischen Kontroll- und Überwachungsschemata die Frau und das Kind in dieser gefährlichen Lebensphase erretten können. Interventionen werden dabei nicht selten aus prophylaktischen oder organisatorischen Gründen durchgeführt.

Die Gynäkolog*innen sind eigentlich dazu verpflichtet, die Frau wertfrei über mögliche Geburtsorte aufzuklären (S3 Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“). Trotzdem sprechen sie sich vehement gegen die Hausgeburt aus. Zum einen basiert die Sorge der Mediziner*innen auf veralteten Vorstellungen. Zum anderen mag es an der mangelnden Erfahrung mit dieser natürlichen Form des Gebärens liegen. Die Ausbildung der Ärzt*innen beinhaltet lediglich die klinische Geburtshilfe und diese wird dort nur als medizinisches Ereignis vermittelt. Außerklinische Geburten gehören immer noch zur Ausnahme und finden meist ohne ärztliche Begleitung statt. Auch in der Klinik werden Geburten vornehmlich von Hebammen geleitet – wenn auch nicht in einer 1:1 Betreuung. Sie halten ihre ärztlichen Kolleg*innen über den Geburtsfortschritt auf dem Laufenden. Bei einer unauffälligen Geburt kommen Arzt oder Ärztin erst zur unmittelbar bevorstehenden Geburt des Kindes hinzu. Falls eine Geburt aber nicht entsprechend der Klinikkstandards verläuft, Geburtsrisiken auftauchen oder ein Schmerzmittelwunsch besteht, sind die Ärzt*innen stärker in eine Geburt eingebunden. So formt sich der ärztliche Blick auf den Geburtsvorgang vor allem aus diesen dramatischeren Geburtsmomenten. Es entsteht ein verzerrter Eindruck. Auf diese Art und Weise ist es sicherlich schwer, Vertrauen in den natürlichen Prozess der Geburt zu erlangen. So wird heutzutage jede vierte Geburt künstlich eingeleitet, jede dritte Frau erhält unter der Geburt Wehenmittel und mehr als die Hälfte aller Frauen bekommt Schmerzmittel. Jede dritte Geburt endet mit einem Kaiserschnitt. Viele Frauen merken an, dass sie sich von den Ängsten, die von außen an sie herangebracht werden, erdrückt fühlen. Sie wünschen sich eine unterstützende und fachkundige Begleitung.

Was bedeutet es, ein Kind zuhause zu bekommen? 

Eine Geburt ist eine wahre Naturgewalt – in all ihrer Intensität und unverfälschten Schönheit. Natürlich kann sie mitunter ein anstrengendes, forderndes Erlebnis sein. Die Frau leistet Außerordentliches.

Um eine harmonische Geburt zu erleben, ist es unabdingbar, dass die Gebärende für sich den Raum und die Begleitung findet, mit der sie sich sicher und getragen fühlt. Denn Geburt bedeutet Loslassen und Sichöffnen.Wenn sie ängstlich und sorgenvoll ist, sich dadurch anspannt, erlebt sie die Geburt deutlich schmerzhafter.

Die menschliche Geburt ist vielschichtig, hochentwickelt und ein sich selbststeuernder natürlicher Prozess. Im Normalfall bedarf es keiner Behandlung, sondern lediglich einer Begleitung. Die Hausgeburt bietet den Frauen ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Vertrautheit. Durch die intensive Hebammenbegleitung in der Vorsorge können frühzeitig Probleme erkannt und umgangen werden. Es entsteht eine vertraute Beziehung auf Augenhöhe, die zusätzliche Sicherheit bedeutet. Ängste und Wünsche können offen besprochen werden. So kann die Hebamme einfühlsam auf die Frau in der Geburt eingehen. Die Geborgenheit des eigenen Zuhauses bietet eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Während die Familie den Ort für eine Geburt vorbereitet, bereitet sie sich schon auf das große Ereignis vor, das mitten in ihrem Leben stattfinden wird.

Unter der Geburt bietet die Hebamme jede erdenkliche Unterstützung, damit die Gebärende ungestört Geburtsarbeit leisten kann. Falls es nötigt ist, bekommt sie Hilfe, um in die Entspannung zu finden oder die Wehen gut zu veratmen. Sie bindet den Partner, die Partnerin in die Geburtsreise ein und übernimmt aber auch die Geburtsführung, wenn es die Situation verlangt. Auf diese Weise kann die Frau ihre Kraft optimal einsetzen.

Wenn sich die Frau sicher und entspannt fühlt, schüttet ihr Körper die Hormone Oxytocin und Endorphine aus. Diese fördern zum einen die Wehenarbeit, dämpfen aber auch den Schmerz und sorgen dafür, dass Mutter und Kind eine kraftvolle und enge Einheit sind – bereits unter der Geburt. Dadurch nimmt die Geburt ihren natürlichen, intuitiven Verlauf.

Während einer Hausgeburt erlebt die Familie eine abwartende Geburtshilfe, die sich durch Geduld und Zuversicht auszeichnet. Die Hebamme achtet fortlaufend darauf, dass es sowohl der werdenden Mutter als auch dem Kind gut geht. Die Hebamme hört diskret nach den Herztönen des Kindes und überprüft, wenn nötig, den Zustand des Muttermundes und die Position des Kindes. Durch ihr fundiertes, medizinisches Wissen, kann die Hebamme unterscheiden, ob die Geburt normal/gesund oder abweichend/pathologisch verläuft. Als genaue Beobachterin wird sie rasch handeln und die nötigen Maßnahmen ergreifen. Neben dem kleinen Ultraschallgerät (Dopton) und einem Hörrohr für Herztonüberwachung gehören auch der Beatmungsbeutel sowie Nahtbesteck und die in der Geburtshilfe üblichen Medikamente zur Standardausrüstung einer jeden Hausgeburtshebamme.

Die außerklinische Hebammenarbeit basiert auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und kombiniert diese mit dem über Jahrhunderte tradierten Hebammenhandwerk.

Komplikationen bei einer Geburt sind zum Glück selten. Im Jahr 2022 musste nur 1 von 100 Frauen kurzfristig in eine Klinik verlegt werden. Anhand der Zahlen (siehe QUAG e.V.) kann gezeigt werden, dass außerklinisch tätige Hebammen Geburtsrisiken richtig einschätzen und im seltenen Notfall rasch die erforderlichen Maßnahmen ergreifen.

Wie sicher ist eine außerklinische Geburt?

Auch wenn jede Frau ein Recht darauf hat, ihren Geburtsort frei zu wählen (SGB V §24f), gibt es einen eng gefassten Kriterienkatalog, der sicherstellt, dass nur gesunde Frauen mit einer unauffälligen Schwangerschaft und einem gesunden Ungeborenen außerhalb der Klinik gebären dürfen. Er regelt zudem die Rahmenbedingungen, die unter der Geburt vorherrschen müssen. Durch diese Einschränkungen wird das Risiko von Notfällen unter der Geburt minimiert.

Alle Geburten, die außerklinisch begonnen wurden, müssen bei QUAG e.V. registriert werden. Durch die Erhebung aller wichtigen Parameter wird die außerklinische Geburtshilfe hinsichtlich ihrer Qualität und Quantität überwacht. Alle Geburten, auch wenn diese in der Klinik beendet werden, aber auch das Befinden von Mutter und Kind in den Wochen danach, werden dort ausgewertet. Alle Ergebnisse sind öffentlich zugänglich. Auf der Homepage (www.quag.de) können Aussagen über die außerklinische Geburten anhand von Fakten und Zahlen überprüft werden.

Jede Frau muss für sich herausfinden, was sie braucht, um sich bestmöglich zu entspannen. Sie sollte für sich eine Umgebung und Begleitung wählen, in der sie sich der Geburt hingeben kann. Einige Frauen brauchen das medizinische Umfeld des Krankenhauses. Andere entscheiden sich für die Geburt im eigenen Zuhause (oder Geburtshaus) mit ihrer vertrauten Hebamme.

Thea Dammrich entschloss sich nach 6 Jahren als Wissenschaftlerin Hebamme zu werden. Klinische Erfahrung konnte sie im UKSH Kiel und in den Schön Kliniken Rendsburg sammeln. Sie bietet nun Familien die Rundum-Begleitung mit Vorsorge, Hausgeburt und Wochenbett an.