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Erzieher*in – ein Beruf im Wandel

Erzieher*innen fehlen derzeit an allen Ecken und Kanten. Sei es in der Kita, der Kinder- und Jugendhilfe oder der offenen Jugendarbeit. Grund genug also, sich die Lage einmal etwas genauer anzuschauen.

Tatsächlich wurde in der Vergangenheit schon viel unternommen, um mehr Fachpersonal für die pädagogischen Berufe, insbesondere für die Kitas zu gewinnen, wie wir am Beispiel Schleswig-Holstein sehen. Wer sich heute entscheidet Erzieher*in zu werden, hat die Gewissheit, erstens dringend gebraucht zu werden, zweitens einen Ausbildungsplatz zu erhalten und drittens finanziell (weitestgehend) abgesichert zu sein. Immer vorausgesetzt, dass die Zugangsvoraussetzungen stimmen, doch auch da hat sich in der Vergangenheit viel getan, sodass es mittlerweile viele verschiedene Wege zur Ausbildung gibt. Das ist geschehen:

  • Ausweitung der Ausbildungskapazitäten durch mehr Berufsfach- und Fachschulen sowie mehr Lehrpersonal
  • Sicherstellung der Finanzierung der Fach­schüler*­innen u.a. durch „Aufstiegsbafög“ oder die Praxisintegrierte Weiterbildungsform PIA
  • Flexibilisierung der Weiterbildungsstrukturen im tertiären Bereich der Fachschule, so dass es mittlerweile fünf (!) verschiedene Wege gibt, Erzieher*in zuwerden: Praxisintegrierte Weiterbildung (PIA), Vollzeit 2-jährig, Vollzeit 3-jährig, Teilzeit arbeitsbegleitend, besondere Maßnahme zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeit
  • Flexibilisierung der Zugangsvoraussetzungen zur Weiterbildung, insbesondere mit Allgemeiner Hochschulreife und niedrigen Eingangsvoraussetzungen bezüglich der einschlägigen Praxiserfahrungen (nunmehr reichen 150 Stunden)
  • strukturelle und inhaltliche Veränderung der Lehrplangestaltung mit der Schwerpunktsetzung auf Kindertageseinrichtungen
  • Erleichterung der Durchlässigkeit in Richtung Universität (Absolventen ohne Fachhochschulreife oder Abitur erhalten eine Hochschulzugangsberechtigung)
  • Der Weg über der*den Sozialpädagogischen Assistenten*in schon mit ESA (= Erster
  • Allgemeinbildender Schulabschluss) oder klassisch mit MSA (= Mittlerer Schulabschluss)

Der Druck von Seiten der Wirtschaft (diese sind auf der Suche nach Arbeitskräften) und der Eltern (sie suchen die Betreuungsplätze um arbeiten zu können) sowie der Trägerverbände der Kindertageseinrichtungen haben in den letzten Jahren massiv dazu geführt, dass gerade der Bereich der Elementarpädagogik in der Ausbildung stark ausgebaut wurde. Auch sind Kindertageseinrichtungen schon lange nicht mehr „nur“ eine Betreuungseinrichtung, sondern eben auch eine Bildungseinrichtung mit einem eigenen Bildungsauftrag. Hinzu kommen Aufgabenbereiche wie Sprachförderung, Inklusion und Qualitätsentwicklung, die in der Ausbildung angemessen bearbeitet werden müssen. Dies spiegelt sich in den inhaltlichen Schwerpunkten der Lehrpläne an Berufsfachschulen und Fachschulen wider. Und schlussendlich ist an der Fachschule ein Praktikum in der Altersgruppe von 3 bis 6 Jahren zwingend vorgeschrieben.

Dass bei einer solchen Schwerpunktsetzung andere Arbeitsfelder nicht ausführlich genug berücksichtigt werden (können), darf insofern nicht verschwiegen werden, als genau hier ein genauso großer Arbeitskräftemangel herrscht, wie in den Kindertageseinrichtungen. Denn nach wie vor ist die Ausbildung zum*zur Erzieher*in als sogenannte Breitbandausbildung konzipiert und umfasst eben auch Arbeitsfelder wie Kinder- und Jugendhilfe, die Jugendarbeit, Psychiatrie oder die Behindertenhilfe.

Dieses Spektrum möglicher Arbeitsfelder deutet an, dass das Berufsbild des*der Erzieher*in in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr komplex geworden ist. Besonders in den 2000er Jahren stand daher das Bestreben im Vordergrund, die deutsche Fachschulausbildung international anzugleichen. Da eine Verlagerung in die Fachhochschule oder Universität – wie in anderen europäischen Ländern – aus den verschiedensten Gründen nicht in Frage kam, wurde immerhin eine Niveauanhebung der Ausbildung erreicht. Sie gilt mittlerweile als Weiterbildung und ist dem Europäischen Qualifikationsrahmen angeglichen worden und entspricht dem DQR 6 (Deutschen Qualifikationsrahmen).

Gleichwohl und mit Blick auf den Elementarbereich: So erfüllend die Arbeit mit Kindern gerade in der Altersgruppe von 0 bis zu Einschulung auch sein kann: Die Tatsache, dass in den Kindertageseinrichtungen akuter Personalmangel herrscht führt erkennbar zu Problemen. Das vorhandene Personal muss diesen Mangel sowie zusätzlichen Ausfall z.B. durch Krankheit oder Urlaub kompensieren. Es steht zu befürchten, dass der Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen zugunsten eines größeren Anteils des Betreuungsauftrages zurückgestellt wird. Denn Bildung – auch und gerade in der Kita – braucht Zeit und Personal.

Dr. Martin Stahlmann ist Abteilungsleiter
der Fachschule Sozialpädagogik an der
Elly-Heuss-Knapp-Schule in Neumünster.

Foto: Andrey Kuzmin