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Kreatives Chaos

Manchmal, und nicht nur manchmal, macht es mich wahnsinnig. Die Art und Weise wie mein Neunjähriger und meine Siebenjährige miteinander spielen und kreativ Dinge produzieren, lässt sich kaum bändigen. Das liegt allerdings nur bedingt an ihnen und hauptsächlich an mir. Obwohl ich ein ziemlicher Kindskopf bin und es Teil meiner Arbeit als Kinderbuchautor ist, mich in die Gefühls- und Erlebniswelt von Kindern hineinzuversetzen, machen die beiden Sachen, die ich nur schwer aushaltbar finde. Dabei sind die überhaupt nicht schlimm und schon gar nicht unerträglich. Sie passen nur einfach überhaupt nicht in die Erwachsenenwelt, in der ich mich dann leider doch oft zu meinem eigenen Bedauern aufhalten muss. Sie kennen diese Welt. Es ist die, in der wir Steuern zahlen und aufräumen müssen. In der man am nächsten Morgen früh raus muss, obwohl man überhaupt keinen Bock drauf hat. Die Welt, in der nicht nur ein leckeres Essen auf dem Tisch steht, sondern es irgendwer auch bezahlt, gekocht und am Ende das dreckige Geschirr abgeräumt und gespült haben muss. Ich bin wirklich Fan davon, Erwachsensein nicht nur mit diesem nervigen Zeug zu definieren. Erwachsensein kann auch sehr großartig sein. Aber um das sehen zu können, darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen, wie ätzend es auch sein kann.

Dass ich es zum Beispiel schwer aushalte, wenn meine Kinder „eine Höhle bauen“ liegt an meinem Erwachsensein. Ich schaue mir das an und sehe nicht den Spaß, den sie damit über eine Stunde haben. Mein Erwachsenengehirn registriert einerseits, dass das Spiel augenscheinlich nur daraus besteht, immer mehr Sachen herbeizuschaffen und zu verbauen, ohne die verdammte Höhle auch nur ein einziges Mal zu benutzen. Und kombiniert es andererseits mit der Erwartung der Aufräumaktion, die dem Ganzen unweigerlich folgen muss. Noch mehr Kissen und noch mehr Decken werden herbeigeholt. Kein Weg ist dafür zu weit. Sogar die Kissen der Nachbarn werden für den Höhlenbau zweckentfremdet. Und ja, natürlich freue ich mich auch, dass meine beiden Kleinen so toll beschäftigt sind. Aber ab und zu entfährt mir ein genervtes „Wollt ihr nicht irgendwann auch mal mit der Höhle spielen?!“. Nein, wollen sie nicht. Denn das Spiel heißt ja „Höhle bauen“, auch wenn mein Kopf daraus wie selbstverständlich „Kurz Höhle bauen und dann daran sehr lange spielen, während Mama und Papa ausnahmsweise mal mehr als ein halbes Gespräch führen und einen Schluck Kaffee trinken können“ gemacht hat.

„Ein Bild für Papa zum Geburtstag malen“ verstehe ich hingegen zu wörtlich. Eigentlich sind es 19 ½ Bilder – inklusive Wutausbrüche darüber, dass manche nicht so gut gelingen, und der massiven Sorge darum, dass es nicht genug sein könnten. Es ist ein nachvollziehbares, aber eben auch sehr erwachsenes Gefühl, genervt davon zu sein, dass die Kinder einen mit ihrem kreativen Geschenkewillen überschütten. Bis zu dem Punkt, an dem man ihnen sogar dabei helfen muss, damit zurecht zu kommen, obwohl es ja eigentlich irgendwann mal um den eigenen Geburtstag ging. Oder gehen sollte.

Aber die Kreativität von Kindern funktioniert anders als die von uns Erwachsenen und das ist auch gut so. Sie darf sich selbst und den Kindern genügen. Kindliche Kreativität muss nichts Vorzeigbares produzieren und auch nicht verkaufbar sein. Sie muss sich nicht hervortun, messbar sein oder von mir und anderen Erwachsenen für sinnvoll erachtet werden. Die Frage „Was wird das?“ verstellt nur den Blick darauf wie unsere Kinder sind, wenn sie sich kreativ betätigen. Auch die durchaus angebrachte Frage danach, wer zur Hölle das alles wieder aufräumen soll, übersieht den kreativen Prozess und macht ihn zum Problem. Im besten Fall sollten natürlich die Kinder aufräumen. Aber sie sind keine Büroangestellten, sondern Kreativmonster, die erschaffen, um zu begreifen. Dafür ein halbes Seufz und ein ganzes Hurra!

Foto: Midjourney

Nils Pickert
Nils Pickert ist vierfacher ­Vater, Journalist und ­Feminist. Jeden Monat lässt er uns in seiner Kolumne an seiner Gedankenwelt teilhaben.