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Wie war die Schule?

Eines der großartigen Dinge, die das Leben mit Kindern mit sich bringt, ist, dass man dabei so viel lernen und erfahren kann. Selbst wenn man wie ich auf eine Kinderbetreuungsphase von knapp 20 Jahren zurückblickt und zugleich immer noch kleine Grundschulmurkel im Haus hat, können jeden Tag Dinge passieren und gesagt werden, die einen verändern.

Bevor ich erzähle, wie genau das aussehen kann, muss ich mich aufgrund der inflationären Verwendung des Begriffs „Learnings“ zunächst einmal abgrenzen. Meetings produktiv zusammenzufassen, indem man kurz nachfragt „was denn heute die Learnings waren“ mag als Idee ganz tauglich und irgendwann mal sinnvoll gewesen sein. Mittlerweile scheint mir das allerdings auch nur ein weiterer Aspekt dessen zu sein, was man glaubt leisten zu müssen. Man gibt wieder, was man glaubt, gelernt haben zu müssen, ohne wirklich etwas daraus lernen zu können oder zu wollen. Ein bisschen wie Klassenarbeiten nur auf erwachsen. Das ist nicht das, was ich unter „Lernen“ verstehe. Ich meine damit etwas, das fundamental die Sicht auf die Kinder und sich selbst verändert und anhaltende Konsequenzen hat. Zum Beispiel habe ich von einer befreundeten Mutter gelernt, wie richtig und wichtig es sein kann, sein Grundschulkind allein oder mit Freunden zu Hause lassen. Während unsere Kinder sich bei ihr Zaubererduelle liefern, den einen Ring zerstören oder Geschichten erzählen, läuft sie 5 Minuten zu mir und trinkt mit mir einen Kaffee. Oder sie geht einkaufen, zur Post, in die Bücherei und dergleichen. Die Kinder wissen, wo alle zuständigen Eltern sind und wollen einfach ihr Ding machen. Weiterspielen und nicht mit zum Einkaufen müssen. Und wir wollen vielleicht auch mal ohne Kinder sein oder Dinge schnell erledigen, ohne sie durch Moderation und Kommunikation ewig in die Länge zu ziehen. Darüber hinaus finde ich bemerkenswert, wie sehr sie damit bewusst das Selbstwertgefühl und die Kompetenz ihres Kindes steigert. Sie schafft es, über eine gewisse Distanz und Dauer in Verbindung mit ihrem Kind zu bleiben und vermittelt zugleich: Du kannst das! Du kannst das, du schaffst das, und wenn was ist, bin ich in Reichweite. Deine Pläne und Tagesgestaltungsideen zählen auch.

Von alleine bin ich nicht darauf gekommen. Auch wenn mir das alles abstrakt klar gewesen sein mag, musste ich erst sehen, wie so etwas in der Praxis aussieht, um es zu verstehen. Im Gegenzug hat sie von mir gelernt, dass es bessere Fragen gibt als „Wie war die Schule?“ und „Wie geht es dir?“ um herauszufinden, wie die Schule war und wie es dem Kind geht. Tatsächlich handelt es sich dabei nämlich oftmals um Einstiegsfragen zu Smalltalk, an dem die meisten Kinder kein Interesse haben. Smalltalk ist ein zutiefst erwachsenes Phänomen. Wir stellen unseren Kindern also Plaudereinstiegsfragen mit ernstem Hintergrund und wundern uns wenn sie „Gut!“ sagen. „Gut!“ und weiter nichts. Wenn ich wissen will, wie es meinem Kleinen in der Schule geht, frage ich ihn, was es zu essen gab. Er liebt Essen, Essen ist ihm wichtig. Wenn er davon spricht, erzählt er meist auch viele andere Dinge. Wenn ich hingegen wissen will, wie es meiner Kleinen in der Schule geht, frage ich sie, mit wem sie Zeit verbracht hat. Was sie genervt und was sie angenehm überrascht hat. Darüber kommt sie fast immer ins Erzählen. Aber wir Erwachsenen befragen unsere Kinder zu häufig mit dem Äquivalent von „Und du so?“ und wundern uns dann, dass als Antwort nur eine Version von „Joa, auch.“ kommt.

Meine Freundin hat also festgestellt, dass ich die besseren Fragen habe. Und ich habe festgestellt, dass sie den besseren Freiraum zur Verfügung stellt. Wir können beide voneinander lernen. Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber nicht. Denn Elternschaft heißt auch Abgrenzung. Heißt, auch wir machen es richtig, müssen es richtig machen, weil so viel auf dem Spiel steht. Letzteres stimmt auch. Aber genau deshalb ist Lernen die bessere Option als dieses ständige Vortäuschen umfassender Kompetenz bei gleichzeitiger elterlicher Verzweiflung. Es gibt viele Dinge, die ich auch jetzt noch nicht über Kindererziehung weiß. Nur wenn ich das nicht vergesse, lerne ich vielleicht noch ein paar dazu.

Nils Pickert
Nils Pickert ist vierfacher ­Vater, Journalist und ­Feminist. Jeden Monat lässt er uns in seiner Kolumne an seiner Gedankenwelt teilhaben.